Stella Nikiforova - jüdischer Häftling

Mögliche Abkürzungen:

  • J
  • Jd

Juden und Jüdinnen bildeten in den Konzentrationslagern eine klar erkennbare Gruppe. Für sie existierte jedoch keine „eigene“ Haftkategorie. Sie waren formal immer einer der obengenannten Häftlingskategorien zugeordnet. In den KZ mussten sie einen gelben Winkel unter dem jeweils andersfarbigen Winkel tragen, sodass ihre Markierung wie ein „Judenstern“ aussah. Während jüdische Männer und Frauen in den ersten Jahren der NS-Herrschaft zumeist als politische Gegner oder vermeintliche „Asoziale“ inhaftiert worden waren, änderte sich dies mit den Novemberpogromen 1938, in deren Folge erstmals zehntausende Männer inhaftiert wurden, weil sie nach der NS-Definition als Juden galten.

Name: Stella Nikiforova
Geboren: 29. Juli 1939 in Antwerpen

 

frühes Leben

Ich war kaum ein Jahr alt, als die Deutschen Belgien besetzten. Meinen zweiten Geburtstag konnten wir noch zusammen begehen. Als hätte mein Vater die schreckliche Zukunft vorausgeahnt, sagte er zu mir: “Denk daran, wenn irgendetwas passiert: Du heißt Stella.” Kurz darauf wurde mein Vater wegen Sabotage verhaftet, meine Mutter und ich wurden nach Deutschland deportiert. Ich war vier Jahre alt, als ich ins KZ Ravensbrück kam.

Mein schönes langes Haar wurde abgeschnitten und ich mit einer stinkenden Flüssigkeit übergossen. Meine schwerkranke Mutter sah ich noch zweimal ganz kurz im Krankenrevier. Eines Tages sagte eine Frau zu mir: „Stella, Deine Mutter haben sie verbrannt.” Diese Worte nahm ich ruhig hin, ich konnte ihre Bedeutung einfach nicht verstehen. Andere Frauen kümmerten sich um mich: Ständig spürte ich ihre Fürsorge und bekam ein Stückchen Brot von ihnen, das sie sich vom Munde abgespart hatten. Wie grausam waren dagegen die SS-Aufseherinnen. Wenn sie mit Proviant im Netz an uns vorbeischlenderten und wir Kinder uns ihnen, vom Hunger wie magisch angezogen, näherten, in der Hoffnung, vielleicht etwas davon abzubekommen, traten sie nach uns mit ihren blank geputzten Stiefeln.

Befreiung

Zu Beginn des Jahres 1945 wussten auch wir Kinder, dass sich die Rote Armee näherte. Auf einem Karren verließen wir [nach der Befreiung] im April das Lager und erlebten auf dem Marsch Bombardierungen. Die Russin Olimpiada Tscherkassova kümmerte sich wie eine liebevolle Mutter um uns Kinder. Unser Weg führte über Polen in die Sowjetunion. In Briansk gab mich “Tante Lipa” in ein Kinderheim und machte sich auf die Suche nach ihren eigenen Kindern. Zehn Jahre blieb ich in dem Kinderheim […]

Wiedersehen

Im Sommer 1961 fand in Moskau ein Treffen ehemaliger Häftlinge des KZs Ravensbrück statt. Dort begegnete ich Erika Buchmann, die meine Mutter gekannt hatte. Sie knüpfte für mich Kontakte nach Belgien. Am 22. Dezember 1962 erfuhr ich die Adresse meines Vaters, der inzwischen in Brasilien lebte. Nach 20 Jahren konnte ich meinen Vater umarmen. Auch meine Geburtsstadt Antwerpen besuchte ich. Seit langem bin ich auch Mutter zweier Kinder, und meine Kinder, Artjom und Valentina, sind ohne Krieg groß geworden. Doch meine zerstörte Kindheit und die bittere Zeit als Waise lässt sich nicht vergessen.“