Lesen gegen das Vergessen

„Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ (Heinrich Heine)

Fast sechs Stunden lang wurden am Freitag, den 10.05. auf dem Wildauer Platz Texte von verfolgten Dichtern gelesen, die während der NS-Zeit Opfer dieses verbrecherischen Regimes wurden. Ihre Werke wurden vor 86 Jahren, am 10. Mai 1933 also, in zahlreichen Städten des Reiches bei organisierten Bücherverbrennungen Opfer von Scheiterhaufen.

Damit war knapp vier Wochen nach der Machtübernahme der Nazis ein signifikantes Zeichen für Intoleranz und Gewalt gegenüber Gedankengut und literarisch-künstlerischer Freiheit gesetzt, das auch die Bedrohung der Autoren bereits beinhaltete. Mit der Lesung sollte an die Dichter und ihre Werke erinnert werden, denn nicht alle, sofern sie diese Gewaltherrschaft überlebten, konnten nach dem Ende der Nazizeit wieder erfolgreich veröffentlichen.

Vorbereitet wurde diese Veranstaltung unter Leitung von Christine Wolff zusammen mit Bettina Jansen, Birgit Fluhr-Leithoff und Maximilian Seidel als Mitglieder der Teilkonferenz Schule ohne Rassismus und Vertretern der Gruppe Pax Christi mit Hans Jürgen Knubben und Bruno Bürger. Es wurden Texte und Kurzbiographien von bekannten Autoren wie Heinrich Heine, Erich Kästner, Bertolt Brecht, Franz Kafka, Else Lasker-Schüler, Stefan Zweig, Karl Marx, aber auch weniger bekannten Dichtern wie Max Herrmann-Neisse, David Luschnat, Lion Feuchtwanger, Jakob Wassermann oder Charlotte Temming zusammengestellt, die dann von verschiedenen Mitwirkenden vorgetragen wurden. Insgesamt kamen so rund vierzig Leser/innen zu Wort, so dass dadurch die große Vielfalt der Texte besonders zum Ausdruck gebracht wurde. Es waren von unserem Gymnasium vor allem Schüler/innen der Jahrgangsstufe 9 und der EF, aber auch etliche Lehrer, die sich beim Vortragen engagierten. Die Pax Christi-Gruppe brachte mit verschiedenen Personen Texte von Erich Kästner, Egon Erwin Kisch und Kurt Tucholsky zu Gehör. Dazu gehörte auch das Pastorenpaar Ute und Gerhard Sass, ebenso wie der Landtagsabgeordnete Thomas Schnelle, der nicht nur die Veranstaltung besuchte, sondern spontan einen Text vortrug. Außerdem beteiligte sich Nuran Joerissen an der Lesung, die als Patin für Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage einen ganz besonderen Bezug zu unserer Schule hat.

Ganz besonders erwähnenswert ist aber der Beitrag der Hauptschule In der Schlee unter Leitung der Rektorin Christiane Müller. Sie war mit einer Gruppe von fünf Schülern der siebten Klasse gekommen, die aus dem bekannten Kinderbuch Als Hitler das rosa Kaninchen stahl von Judith Kerr in ganz beeindruckender Weise lasen. Zur Unterstützung war eine ganze Klasse mitgekommen, die auf selbst gemalten Plakaten auf die Veranstaltung aufmerksam machten.

So kam eine sehr vielfältige und lebendige Veranstaltung zustande, bei der es nur einen Wermutstropfen gab, und das war das schlechte Wetter mit Dauerregen bis zum Nachmittag. Dennoch traf die Veranstaltung immer wieder auf sehr interessierte Zuhörer, die sich Zeit nahmen, zuhörten, Fragen stellten und sich die Stellwände mit Informationen zu der Bücherverbrennung der Nazis durchlasen. Immer wieder kam gerade von den älteren Zuhörern die Bestätigung: Das ist wichtig, daran zu erinnern, so etwas darf es nicht mehr geben und man muss wachsam sein – das gilt insbesondere im Hinblick auf rechtsextreme und fremdenfeindliche Tendenzen auch in unserer Gesellschaft.

Und so rückt noch einmal das Zitat Heines in den Blickpunkt, der bereits 1821 treffend formulierte: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“