“Der Prozess”

Der Literaturkurs von Christine Wolff präsentierte in diesem Jahr “Der Prozess” von Franz Kafka.

Sind Sie schon mal aufgewacht und wurden ohne Grund verhaftet? Dieses Schicksal ereilt den Bankprokuristen Josef K. an seinem 30. Geburtstag. Er ist sich keiner Schuld bewusst und darf sich trotz seiner Festnahme frei bewegen und seiner Arbeit nachgehen. Vergeblich versucht er herauszufinden, weshalb er angeklagt wurde und erfindet Gründe um sich zu rechtfertigen. Das Gericht, in dem er sich wiederfindet und welches sich auf den Dachböden großer ärmlicher Mietskasernen befindet, ist für ihn nicht greifbar. Je mehr er es zu verstehen versucht, desto mehr verwickelt er sich in ein Gestrüpp undurchschaubarer Gesetze und menschlicher Verwirrungen. Immer tiefer dringt er in die Welt des Gerichts ein und beschäftigt sich fast ausschließlich nur noch mit seinem Fall. So schleicht sich das Gericht immer weiter in Josef K.‘s Leben ein und beginnt ihn zu zerfressen. Doch schreitet der Prozess wirklich voran und welchem Urteil muss sich Josef K. letzten Endes tatsächlich unterwerfen?

Franz Kafkas Roman „Der Prozess“, zwischen 1914 und 1915 entstanden, Fragment geblieben und posthum erschienen, zeigt parabelhaft das sinnentleerte Dasein und ziellose Streben des Individuums in einer anonym gewordenen Welt. Dem Protagonisten steht eine geschlossene Ordnung gegenüber, die nicht nur ihrem eigenen Regelwerk folgt, sondern sich auch in allen Lebensbereichen manifestiert – in der Arbeit, in den zwischenmenschlichen Beziehungen, sogar in der Kirche findet K. plötzlich Angehörige dieses Gerichts. Dass er die systemische Eigenlogik erst erfüllt, indem er mitspielt, ist K. dabei kaum bewusst. So wird er immer tiefer in ein Labyrinth hineingezogen. Da ihm die herrschenden Regeln unbekannt sind, kann er letztlich nur verlieren: Das Todesurteil wird vollstreckt, ohne vorherige Verkündung. Damit geht K. zugrunde an einer Welt, die sich längst jeder Sinnhaftigkeit entzogen hat.